Mein Wald? – Dein Wald?

Mein Wald? – Dein Wald?

Wem gehört der Deutsche Wald?

Der Beitrag als Podcast



Wenn wir in einem Waldstück öfter spazieren gehen, oder dort Sport betreiben, wächst uns das dieser Wald manchmal richtig ans Herz. Man fühlt sich „seinem“ Wald verbunden. Spätestens seit der großen Waldsterben-Debatte der 80er Jahre sorgen sich die Deutschen um „ihren“ Wald. Doch wem gehört der Wald in Deutschland eigentlich?

Der grüne Schatz Deutschland hat viele Eigentümer. Doch bevor wir von den Eigentümern sprechen, schauen wir uns das „Eigentum“ selbst einmal genauer an, die Grundlagen rund um die Wälder und Waldflächen in Deutschland.

Vom Wachsen und Schrumpfen der Waldflächen

Deutschland umfasst eine Gesamtfläche von 357.386 km², das sind 35,7 Millionen Hektar. Ein Hektar, entspricht einer Fläche von 100m mal 100m, in Summe 10.000m². Von diesen 35,7 Millionen Hektar Grund sind 11,4 Millionen bewaldet, 32% der Fläche Deutschlands sind Wald. Damit liegt Deutschland übrigens prozentual ziemlich genau im globalen Mittelwert: Weltweit sind etwa 31% der Landoberfläche von Wald bedeckt. Im Vergleich zwischen den einzelnen deutschen Bundesländern variiert der Waldanteil. Die anteilmäßig waldreichsten Bundesländer sind Hessen und Rheinlandpfalz mit jeweils etwa 40% der Landesfläche Wald. Rein flächenmäßig hat Bayern mit einer Waldfläche von 2,6 Mio. Hektar Wald die Holznase vorn. Mit 11% den niedrigsten Waldanteil weist Schleswig Holstein auf.

Kleines Quizz am Rande: Was denken Sie, wird der Wald in Deutschland mehr oder wird er weniger? Global betrachtet nimmt die Waldfläche jährlich ab. Im Jahr 1990 rechnete man noch mit 41,3 Mio. Quadratkilometern Waldfläche weltweit. Zahlen aus dem Jahr 2016 sprechen von nur mehr 39,96 Millionen Quadratkilometern. Besonders die Rodung von Wäldern in Lateinamerika trägt massiv zu diesem Rückgang bei. In Summe klingt dieser Verlust von etwa 1,4 Mio. Quadratkilometer wenig, doch diese 140.000.000 Hektar Wald entsprechen einer Fläche fast viermal so groß wie die Gesamtfläche der Bundesrepublik Deutschland.

Bei uns in Deutschland freuen wir uns über die gegenteilige Entwicklung: Der Wald wird jedes Jahr ein kleines bisschen mehr. Im Zeitraum zwischen der zweiten und der dritten Bundeswaldinventur, (2002 bis 2012) hat die Waldfläche in Deutschland um 0,4% leicht zugenommen: In zehn Jahren ist eine zusätzliche Waldfläche von zweimal der Großstadt Frankfurt hinzugekommen.

Die 11,4 Mio. Hektar Wald in Deutschland entsprechen etwa 90 Milliarden Bäumen. Kann man jetzt sagen, bei 83 Millionen Deutschen gehören jedem Deutschen etwas über tausend Bäume? Nein, denn auch wenn der Wald für uns alle so Einiges leistet (z.B. als Lieferant für frische Luft, als Erholungsraum, Schutz vor Hochwasser, Lawinen), gehört der Wald doch den Waldeigentümern und Waldeigentümerinnen und davon gibt es in Deutschland sowohl öffentliche, private:

48% des Deutschen Waldes ist in Privatbesitz, etwa 29% sind Staatswald, gehören also den Ländern, während nur 4% in Bundeseigentum ist. Die restlichen 19% sind so genannter Körperschaftswald.

Staatswald für alle

Im Mittel über alle Bundesländer hinweg sind 29% der Waldfläche Staatswald. In den einzelnen Ländern variiert dieser Anteil zwischen 48,2% im Saarland und 14,3% in Nordrheinwestfalen. Am meisten Waldfläche besitzt der Freistaat Bayern, verwaltet von der Bayerischen Staatsforstverwaltung. Allgemein bedeutet Staatswald, dass das jeweilige Bundesland der Eigentümer dieser Wälder ist und die Waldflächen entsprechend pflegt und bewirtschaftet. Einnahmen aus dem Verkauf von Holz fließen in die Staatskasse.

Eine kurze Einführung, wie es kommt, dass ein Land bzw. Staat Wald besitzt: Zum einen handelt es sich hierbei um Wälder, die ehemals Königen oder Landesfürsten gehört haben. Herrenlose Wälder wurden von den Herrschern für sich beansprucht, es erfolgten „Einforstungen“ (Beispiel Zeit der Karolinger, 8. Jhd.). Ab dem Zeitpunkt der „Einforstung“ musste jeder, der aus diesen Wäldern Holz nutzen wollte, dort Tiere halten oder auf die Jagd gehen wollte, dafür eine Genehmigung einholen. Treue Gefolgsleute erhielten Wälder als Lehen.

In den folgenden Jahrhunderten wechselten die Wälder immer wieder ihre hoheitlichen Besitzer durch Heirat, Erbe, Schenkung oder (unfreiwillige) Inbesitznahme. Im 19. Jahrhundert wurden aus den landesherrlichen Wäldern – bzw. Kammergüter genannt – allmählich der Staatswald. In Preußen gab es ab 1794 Staatswald, in Bayern ab 1818, dem folgen etwa Württemberg im Jahr 1819 und Hessen 1820.

(Kloster Ettal)

Neben ehemals herrschaftlichem Wald, handelt es sich beim Staatswald oft um Waldbesitze die einstmals den Kirchen gehörten. Unter anderem zwei große Säkularisationen sorgten für die Verstaatlichung von Kircheneigentum: Im Zuge der Reformation im 16. Jahrhundert wurde der katholischen Kirche großflächig Waldeigentum entzogen, dort wo nun evangelische Herrscher das Sagen hatten. Die zweite große Welle fand zu Zeiten Napoleons statt, als 1802/1803 Kircheneigentum dem Staat zugesprochen wurde. In Bayern wurden im Jahr 1802 fast alle Klöster aufgelöst. Das Eigentum der Kirche wurde vom Staat übernommen – natürlich inklusive der Kirchenwälder. Nur die Wälder von Pfarreien wurden von den Vorgängen der Säkularisation oft ausgenommen.

Ein wichtiges Stück deutscher Geschichte, das sich auch auf den Wald und das Waldeigentum ausgewirkt hat, betrifft die ehemalige DDR. In der DDR gab es vorwiegend Staatswald bzw. im Sozialismus „Volkswald“. Waldbesitz wurde oft enteignet und letztlich als Volkseigentum über die staatlichen Forstwirtschaftsbetriebe verwaltet. Den ursprünglichen Eigentümern blieb eine private Pflege und Bewirtschaftung der Flächen verboten. Nur etwa 600.000 Hektar Wald waren im Jahr 1990 noch in privatem Besitz. Nach der Wende wurden die ehemaligen Volkswälder über die Treuhand teilweise (wo möglich) an die privaten Besitzer zurückgegeben, teilweise privatisiert, teilweise an die Länder und Kommunen übertragen.

Von der Allmende zum Gemein(de)gut

Apropos Kommunen: 19% der Wälder Deutschlands sind so genannter Körperschaftswald. Zum Körperschaftswald zählen Gemeinde- und Stadtwälder sowie Kirchenwälder. Der größte kommunale Waldbesitzer in Deutschland ist Berlin mit etwa 28.500 Hektar Stadtwald. Fast ein Fünftel von Berlin ist Wald und somit die grüne Lunge der Hauptstadt und wichtig für die Erholung der Berliner Bevölkerung – Erlebnisse mit Wildschweinen inklusive.

Kommunalwälder hatten bereits im Mittelalter als so genannte Allmende-Wälder ein wichtige Bedeutung. Bestimmte Wälder gehörten einer Stadt oder Gemeinde gemeinsam. Entweder alle Bürger oder nur berechtigte Familien hatten bestimmte Rechte, die Wälder zu nutzen. Oft wurden Tiere in den Wald, als Hutewald, getrieben. Holzrechte gibt es in verschiedenen Orten in Deutschland bis heute noch, beispielsweise in Unterfranken. In diesen Allmende-, Mark- oder „Gmein-“ Wäldern wurde der Wald über diese Nutzungsrechte bewirtschaftet. Heutzutage kümmern sich oft eigene bei der Stadt oder Gemeinde angestellte Förster, forstliche Unternehmer oder die so genannten forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse um die Kommunal- und Stadtwälder.

Ein kurzer Blick auf die Bundesforsten: Die Bundesrepublik Deutschland ist Eigentümer von etwas über 400.000 Hektar Wald. Vor allem sind das Truppenübungsplätze oder ehemalige Militärgelände und Flächen entlang von Autobahnen oder Bundeswasserstraßen. Ähnlich wie die Staatsforstverwaltungen der Länder gibt es die bundesweite Organisation des Bundesforsts, die sich um diese Flächen kümmert.

Private Wälder für Alle offen

Kommen wir zur größten Gruppe an Waldbesitzern, mit etwa 2 Millionen Personen und einem Waldanteil von knapp der Hälfte des deutschen Waldes: Die privaten Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer.

Würde man alle Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in Deutschland eine lange Kette bilden lassen, so würde diese von Hamburg nach München und wieder zurück reichen. Prinzipiell sind etwa die Hälfte der privaten Waldbesitzflächen 20 Hektar oder kleiner. Im Durchschnitt besitz ein Waldeigentümer, eine Waldeigentümerin ca. 3 Hektar, was zeigt, dass der Großteil der Waldbesitzenden relativ kleine Flächen ihr Eigen nennt.

Daneben besitzen einige wenige – Privatpersonen, Firmen, Stiftungen – wiederum sehr große Waldflächen besitzen. Historisch begründet haben viele Adelshäuser die Nase vorn: Bekannt sind etwa die Fürstenhäuser Thurn und Taxis, Hohenzollern, Castell oder die Fürst Wallerstein‘schen Forstbetriebe.

Die Masse der Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer in Deutschland zählen zu den so genannten Kleinprivatwaldbesitzern, mit Flächen kleiner als 5 Hektar, bzw. kleiner als 2 Hektar. Historisch bedingt findet man einige Regionen, in denen die Besitzflächen im Laufe der Zeit immer kleiner geworden sind: Die Realteilungsgebiete in Deutschland. Realteilung, das heißt, dass jeder Nachkomme seiner Familie Besitz zu gleichen Teilen erbt. Haben Eltern zwei Kinder, wird eine Fläche von einem Hektar in zwei Flächen á 0,5 Hektar geteilt. Besteht eine Familie aus vier Kindern, bekommt jeder einen viertelten Hektar. Zwar ist das Fair, aber ungünstig für den Wald. Je kleiner die Flächen, desto öfter haben die Eigentümer oft das Gefühl, es lohnt sich nicht, sich um den Wald zu kümmern. Es gibt den Spruch: „Gar lustig hat’s die Forstpartie, der Wald, der wächst auch ohne sie“. In Zeiten von Klimawandel, Borkenkäfer und Co, stimmt dies jedoch leider nur sehr begrenzt.

Grenzstein im Wald zwischen den Eigentumsgrenzen

Gerade der Kleinprivatwaldbesitz kommt meist aus dem Umfeld einer Landwirtschaft. Landwirtschaft und Wald bildeten früher eine feste Einheit. Das Holz aus dem Wald benötigten die Bauern als Brennholz, als Bauholz und als Einkommensquelle durch Verkauf. Teilweise wurden die Tiere in den Wald betrieben, um dort zu fressen, bzw. Streu für den Stall aus dem Wald gewonnen.

2019 existierten in Deutschland noch etwa 267.000 landwirtschaftliche Höfe, 1.07 Millionen Höfe waren es noch im Jahr 1969. Die Rede ist vom großen Höfe-Sterben oder dem Strukturwandel in der Landwirtschaft. Die Höfe wurden in den letzten Jahrzehnten flächenmäßig immer größer, viele Landwirte verpachteten oder verkauften ihre Flächen. Spannend ist, dass zwar die landwirtschaftlichen Flächen aufgegeben wurden, der Wald aber überwiegend im Familienbesitz gehalten wurde. So kommt es auch, dass heute ein immer größerer Teil der Waldbesitzenden keinen landwirtschaftlichen Hintergrund mehr haben. Damit ist eine entscheidende Entwicklung verbunden: In der Landwirtschaft sind Geräte und Hintergrundinfos zum Wald quasi frei Haus verfügbar. Private und kommunale Großgrund-Waldbesitzer beschäftigten oft eigenes forstlich ausgebildetes Personal und der Staat ist Arbeitgeber für hunderte eigener Förster und Waldarbeiter. Was machen Menschen, die fest im Beruf stehen, Familie haben, vielleicht einem Hobby nachgehen wollen und eventuell ein ganzes Stück weit vom Wald entfernt wohnen? Entweder sie kümmern sich selbst um ihren Wald, oder sie haben die Möglichkeit die Pflege der Wälder ganz oder teilweise abgeben: Forstliche Beratung gibt es etwa durch den Staat. In vereinzelten Bundesländern unterstützt der Staat sogar bei bestimmten forstlichen Maßnahmen. Ansonsten kann man sich an forstliche Unternehmer, oder an die Forstwirtschaftlichen Zusammenschlüsse wenden. Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse, das sind Selbsthilfeeinrichtungen von Waldbesitzenden für Waldbesitzende.

Waldbesitzer*innen*

In der Forstbranche sind Männer oft sehr präsent. Besucht man eine der großen Forstmessen sieht man nur wenige Frauen dort. Beruflich wählen heute immer mehr Frauen den Forstbereich als spannendes und vielfältiges Arbeitsfeld. Wie schaut es bei den Waldbesitzenden aus, wo man meistens nicht wählt, sondern übernimmt oder erbt, seltener kauft? Während Wald früher meist an den Hofnachfolger, Betonung auf *den*, weitergegeben wurde, leben wir heutzutage in Zeiten der weitgehenden Gleichberechtigung. Rein statistisch leben in Deutschland etwa gleich viele Männer wie Frauen, mit leichtem Überhang bei den Frauen. Hinsichtlich Waldbesitz wurde beispielsweise im Jahr 2014 die Waldbesitzerstatistik Bayerns ausgewertet: Es zeigt sich, dass dort etwas über 40% der Waldeigentümer Frauen sind.

50 Pfennigmünze: Pflanzfrau im Wald mit Eichensetzling

Zurück zum Wald unserer Spaziergänge. Auch wenn uns die Wälder, in denen wir uns erholen, Sport treiben und Pilze suchen, in der Regel nicht gehören, liegen sie uns meist am Herzen. Dank Artikel 14 des Bundeswaldgesetzes haben wir in Deutschland in jedem Wald – unabhängig davon, wem wer tatsächlich gehört – freies Betretungsrecht. Trotzdem sollten wir immer daran denken, dass es in der Hälfte der Fälle jemanden gibt – eine private Person – welcher der Wald gehört, die teilweise von Wald lebt und diesen Wald bewirtschaftet und pflegt.


Quellen