Wann ist ein Wald ein Wald?

Wann ist ein Wald ein Wald?

Auf den Waldseiten dreht sich alles um den Wald: Was mit Wald zu tun hat, was im Wald geschieht und was aus alledem wird, das aus dem Wald kommt. Jedes Waldseiten-Thema läuft letztlich auf „Wald“ hinaus.
Doch wann ist ein „Wald“ eigentlich ein „Wald“ und was ist das, ein „Wald“?
Für Wald gibt es verschiedene Definitionen: Die Gesetzesperspektive, die ökologischen Perspektive, die der Nutzung und den Blick auf die Vegetation, also auf die Pflanzen- oder Baumzusammensetzung.

Wald, wild, wachsend

Beim Blick auf die Vegetation ist „Wald“ stets verknüpft mit dem Gedanken an Bäume. Bereits im Ursprung des Wortes „Wald“ spiegelt sich dies: „Wald“ kommt aus dem mittel-, bzw. althochdeutschen, vom Wort „Walt“, „Valtus oder Valgus“ was so viel bedeutet, wie Wildnis. Dieses „Valtus“ lasst sich wiederum ableiten lässt von „walpu“, das im urgermanischen gleichbedeutend ist mit „Zweigen“, „Laubwerk“ oder „Büschel“, wovon im Wald auch heute noch ausreichend vorhanden ist.
Kleiner Exkurs zum Thema „Laubwerk“: Im Mittelalter war Deutschland noch vorwiegend von Laubwald bewachsen. Bis 1500/1600 nach Chr. findet man in Deutschland weitreichende Laubmischwälder, vorwiegend Buchen- und Buchenmischwälder, aber auch Wälder mit Eiche, Hainbuche und in den Mittel- und Hochgebirgen mit Fichte und CO.
Wald hat also mit Bäumen zu tun, jedoch auch damit, wie dicht diese zusammenstehen. Drei, vier Bäume bilden noch keinen Wald. Es braucht eine bestimmte Größe dieser mit Bäumen bewachsenen Fläche und einen bestimmten Deckungsgrad. Was ist der Deckungsgrad? Dazu muss man sich vorstellen, man würde über den Bäumen fliegen und von oben bestimmen, welcher Teil der Fläche auch wirklich von Baumkronen überschirmt ist. (Überschirmt, das kann man sich vorstellen wie ein Boden, auf dem Regenschirme aufgespannt sind – welcher Teil liegt unter einem Schirm im Vergleich zu dem Teil, über welchem kein Schirm aufgespannt ist.)
Die FAO (Food and Agriculture Organization), die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, trifft zum Deckungsgrad die Aussage, dass Wald einen Deckungsgrad von mindestens 10% aufweist. Außerdem muss laut FAO die Höhe der Bäume mindestens 5 Meter betragen, was einer Höhe von zwei Stockwerken eines Gebäudes entspricht. Beispielsweise in besonders kalten Gebieten dürfen die Bäume mit drei Metern Wuchshöhe, etwas niedriger bleiben.
WG gesucht – Wohngemeinschaft, Waldgemeinschaft
Die ökologische Definition von Wald lässt sich bereits von den Sinneseindrücken eines Waldbesuchs ableiten. Eine Fläche mit mehr als 10% Deckungsgrad vermittelt nicht automatisch den Eindruck, im Wald zu stehen. Das Walderlebnis wird geprägt von Geräuschen der Bäume, Vögel und anderer Tiere. Das Spiel aus Licht und Schatten und das Gefühl der Kühle tragen dazu bei. Der Boden riecht nach Laub oder Tannennadeln, nach Pilzen und Moos. Diese Wahrnehmungen hängen mit dem Ökosystem Wald zusammen.

Beim Ökosystem geht es um die Lebensgemeinschaft Wald: Wie leben die Bäume und Pflanzen zusammen, welche Bäume, Pflanzen, Pilze, Insekten, Tiere besiedeln das Gebiet? Die einen Waldbewohner leben in Symbiose zusammen (wie etwa Pilze an den Wurzeln der Bäume), die anderen wachsen in gegenseitiger Konkurrenz um Licht, Wasser oder Nährstoffe. Die Nährstoffe werden wiederum bestimmt von den Kreisläufen im Wald. Diese Kreisläufe beginnen zum Beispiel damit, dass ein Blatt wächst und Photosynthese abläuft, also im Blatt Sonnenlicht, Kohlenstoffdioxid und Wasser in Zucker umgebaut werden. Das Blatt wird von einem Tier gefressen, welches irgendwann wiederum von einem fleischfressenden Tier erbeutet wird. Dieser Jäger stirbt eines Tages oder, was vorne rein muss, muss hinten auch wieder raus – und das wiederum „freut“ alle diejenigen Organismen, die als Aufräumtruppe im Wald unterwegs ist, vom Mistkäfer bis zum Pilz oder Bakterium.

Winter-WALD

1000m² Bäume

Zurück zum Thema: Ein paar Bäume genügen noch nicht für einen Wald. Doch wenn genug Bäume auf einer Fläche stehen, kann sich ein Waldökosystem bilden, mit eigenem Klima, Stoffkreisläufen, Konkurrenz, Pflanzengemeinschaften etc. Dazu braucht es zudem eine Mindestgröße der Fläche. Aktuell werden im Rahmen der Bundeswaldinventur mit Waldpflanzen bestockte Flächen von mehr als 0,1 Hektar also 1000m² als Wald gezählt.
Eine weitere Definition von Wald hängt mit der Frage der Nutzung zusammen. Die FAO grenzt Wald folgendermaßen ab: Ein Wald ist „the presence of trees and the absence of other predominant land uses.“ Heißt das, dass man einen Wald nicht nutzen darf? Nein, Wald darf man nutzen – verantwortungsvoll nutzen – beispielsweise um dort den nachhaltigen Rohstoff Holz zu gewinnen: Ohne Bäume kein Wald, ohne Wald kein Holz – zumindest kein Wertholz. Da die Holznutzung und Forstwirtschaft zum Wald gehört und dort erlaubt sind, werden auch Flächen, die nicht von Bäumen bewachsen sind dem Wald zugerechnet. Dazu gehören beispielsweise Waldwege und Forststraßen oder Holzlagerplätze.
Ananas, Schweine und Christbaum im Wald?
Wald darf und soll genutzt und forstwirtschaftlich gepflegt werden, aber eben nicht als landwirtschaftliche Fläche, wie bei der Agroforstwirtschaft. Bei der Agroforstwirtschaft werden gezielt unter den Bäumen oder Sträuchern Feldfrüchte angebaut, so beispielsweise in Südamerika, wo unter Urwaldriesen Ananas, Mais, Mangos oder Kakao angepflanzt werden.
Auch in Deutschland gab und gibt es die Kombination von Bäumen und Landwirtschaft, z.B. mit Tieren. Bereits im Mittelalter wurden die Tiere in die so genannten Hutewälder getrieben. Schweine, Rinder oder Ziegen fraßen sich im Wald an Eicheln und Bucheckern, an Blättern und Kräutern satt. Heutzutage hört man wieder öfter davon, dass die Waldweide neu belebt wird.

Zur landwirtschaftlichen Nutzung gibt es außerdem den Aspekt der Kurzumtriebsplantagen: Auf dem Weg durch das italienische Venetien beobachten Reisende von der Autobahn aus größere, homogene Flächen mit Bäumen gleicher Höhe, gleichen Alters. Es handelt sich hierbei in der Regel Pappelplantagen. Dort werden Baumarten (z.B. Pappel, Weide) angepflanzt, die schnell wachsen und bereits nach wenigen Jahren geerntet werden. Das Holz wird etwa als Papier- oder Energieholz genutzt. Innerhalb von 20 Jahren kann so eine Fläche fünfmal oder mehr geerntet werden, die Bäume treiben aus ihrem (Wurzel-)Stock immer wieder neu aus – ein Prinzip, das man mit den Niederwäldern bereits im Mittelalter kannte. Solche Kurzumtriebsplantagen sind keine Wälder, sondern Felder.
Wie schaut es mit den beliebten Weihnachtsbaumwäldern aus. Sind das Wälder? Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 29,8 Millionen Weihnachtsbäume verkauft. Ein Teil davon wurde importiert, der Hauptteil der Christbäume kommt aus deutschen Wäldern oder eben nicht Wäldern. Beide Fälle sind möglich. Es gibt ChristbaumWÄLDER, also richtige Wälder in denen Weihnachtsbäume wachsen und es gibt Felder, auf denen Christbaumkulturen angelegt werden. Bei letzteren werden die Bäume aufgezogen, gepflegt, teilweise gedüngt, entsprechend der Verfahren aus der Landwirtschaft. Solche in Feld und Flur angelegten Christbaumkulturen sind nach dem Bundeswaldgesetz keine Wälder.

Kraft Gesetzes

Damit steht zuletzt eine Definition von Wald aus, die gesetzliche Definition nach Bundeswaldgesetz Paragraf zwei.
Gesetz zur Erhaltung des Waldes und zur Förderung der Forstwirtschaft (Bundeswaldgesetz, Stand 17.1.2017)
§ 2 Wald
(1) Wald im Sinne dieses Gesetzes ist jede mit Forstpflanzen bestockte Grundfläche.
Als Wald gelten auch kahlgeschlagene oder verlichtete Grundflächen, Waldwege, Waldeinteilungs- und Sicherungsstreifen, Waldblößen und Lichtungen, Waldwiesen, Wildäsungsplätze, Holzlagerplätze sowie weitere mit dem Wald verbundene und ihm dienende Flächen.
(2) Kein Wald im Sinne dieses Gesetzes sind

  1. Grundflächen auf denen Baumarten mit dem Ziel baldiger Holzentnahme angepflanzt werden und deren Bestände eine Umtriebszeit von nicht länger als 20 Jahren haben (Kurzumtriebsplantagen),
  2. Flächen mit Baumbestand, die gleichzeitig dem Anbau landwirtschaftlicher Produkte dienen (agroforstliche Nutzung),
  3. mit Forstpflanzen bestockte Flächen, die ([…] in dem […] bezeichneten Flächenidentifizierungssystem) als landwirtschaftliche Flächen erfasst sind, solange deren landwirtschaftliche Nutzung andauert und
  4. in der Flur oder im bebauten Gebiet gelegene kleinere Flächen, die mit einzelnen Baumgruppen, Baumreihen oder mit Hecken bestockt sind oder als Baumschulen verwendet werden.

(3) Die Länder können andere Grundflächen dem Wald zurechnen
und Weihnachtsbaum- und Schmuckreisigkulturen sowie zum Wohnbereich gehörende Parkanlagen vom Waldbegriff ausnehmen.

Im Gesetzestext sind die Folgerungen der vegetationsstrukturellen, der ökologischen, der und der Nutzungsorientierten kompakt zusammengetragen. Das Bundeswaldgesetz wird in den Landeswaldgesetzten auf Länderebene überführt und nochmals den jeweils herrschen Gegebenheiten angepasst. Somit ergeben sich teilweise Unterschiede. In allen Bundesländern weitestgehend gleich sind jedoch die Antworten auf die Frage: Wann ist ein Wald, ein Wald?

Quellen