Invasion der Borkenkäfer

Invasion der Borkenkäfer



Der Beitrag als Podcast


In diesem Beitrag geht es um fliegende Gesellen mit sechs Beinen, die Jahr für Jahr für Aufregung bei den Forstleuten sorgen,  sobald die Temperaturen wärmer werden und sich die Käfer aus ihren Winterquartieren heraus trauen. Ihr einziges Ziel ist dann fressen und für Nachwuchs sorgen. Dabei gehen sie über Fichtenleichen. Die Rede ist vom Borkenkäfer, vom etwa 4 – 6 mm großen Buchdrucker, Ips Typografus, und dem kleineren, 2 – 3 mm großen Kupferstecher, Pityogenes calcographus.

Buchdrucker

Der große und der kleine Borkenkäfer teilen sich den Baum: Der Buchdrucker befällt vor allem den Stamm, der Kupferstecher begnügt sich mit dem Kronenbereich und damit dem schmäleren, oberen Stammbereich.

Künstler auf sechs Beinen?

Eigentlich haben unsere Käfer wirklich schöne Namen: Buchdrucker und Kupferstecher, das klingt nach Poeten oder Künstlern aus dem späten Mittelalter. Der Kupferstich, als Möglichkeit Bilder und Texte reproduzierbar zu gestalten und damit in größeren Mengen unter das Volk zu bringen, stammte aus der erste Hälfte des 15. Jahrhunderts. Dazu wurden in Kupferplatten die Bilder, eingraviert und danach mit einer Walzenpresse auf das Papier übertragen. Etwa 20 Jahre später (1440) erfand Guttenberg die Technik des Buchdrucks. Bei Guttenberg wurde die Farbe jetzt nicht mehr über gravierte Rillen übertragen, sondern über gegossene, erhabene und genormte Buchstaben aus Metall.

Warum tragen die Borkenkäfer Bezeichnungen nach den Techniken des 15. Jahrhunderts?

Dazu muss man sich das Fraßbild oder Schadbild der Käfer unter der Borke des Bäume (Borke – daher der Name Borkenkäfer) einmal genauer anschauen mit seinem typischen Muster: In Faserrichtung (von oben nach unten bzw. umgekehrt) sind ein, zwei oder auch mal drei zentrale Gänge, 2 -3 mm in die Borke gefressen. Von diesen Gängen ausgehend werden weitere etwas schmalere Fraßgänge angelegt (ca. 2mm), welche erst zur Seite und dann diagonal nach oben und unten gehen. Wenn Sie so etwas sehen, haben Sie die Brutkammer des Buchdruckers entdeckt. Sind die Gänge deutlich feiner, wie ein feiner Kupferstich, und sternförmig um eine größere Vertiefung herum angelegt, dann haben Sie es mit dem Brutsystem des kleineren Kupferstechers zu tun.

Muster des Buchdruckers

Ihre Namen haben der Buchdrucker und der Kupferstecher daher, weil ihr Fraßbild die Menschen entfernt an die frühen Drucktechniken erinnert haben.

Mutter Gottes, hilf!

Dabei gibt es die Borkenkäfer natürlich schon deutlich länger und auch in früheren Jahrhunderten gab es Borkenkäferinvasionen. Eine solche Borkenkäfer Not fand beispielsweise im 15. Jahrhundert – vermutlich im Jahr 1475 – in Holzkirchen (Bayern) statt. Die Verwüstung muss so heftig gewesen sein, dass die Bevölkerung in ihrer Sorge und Not sich an die Holzkirchener Muttergottes auf dem Bogenberg wandten. Sie gelobten jedes Jahr eine Wallfahrt auf den Bogenberg zu machen, wenn nur die Wälder nicht weiter zerstört würden. So kommt es, dass seit 500 Jahren bis heute, jedes Jahr ein über 10 Meter langer Fichtenstamm mit Wachs umwickelt wird und als Fichtenkerze AUFRECHT!! am Pfingstsamstag den Bogenberg hinaufgeschleppt und dort der Muttergottes geopfert wird. Im Jahr 1475 soll die Borkenkäferplage tatsächlich ein Ende genommen haben.

Leider hält sich der Borkenkäfer heutzutage kaum mehr an himmlische Fürsprache: Durch Stürme, Dürre und Schädlingen in zwischen Januar 2018 bis Juni 2020 müssen laut Bundesregierung etwa 285.000 Hektar Waldfläche neu aufgeforstet werden. Unter den Schädlingen spielte der Borkenkäfer hierbei die größte Rolle. Dabei hängen Sturm, Dürre und Borkenkäfer in einer Wirkkette zusammen, solange es um die Fichte geht.

Über Pheromone, Rammelkammern und CO.

Doch zunächst zur Biologie der Borkenkäfer: Wenn es im Frühling, wärmer wird und die Temperaturen über acht Grad steigen, wird es unter der Rinde mancher liegender oder stehender Fichtenbäume lebendig, teilweise auch im Waldboden. Die kleinen sechsbeinigen Krabbler fahren ihren Stoffwechsel hoch und beginnen zu fressen. Sowohl erwachsene Käfer, als auch Larven und Eier überwintern. Dabei halten erwachsene Käfer auch strengere Winter aus, während die Larven und Eier etwas empfindlicher sind (sie überstehen Winter mit über minus zehn bis minus 15 Grad relativ gut). Wenn die Temperaturen über 16 Grad steigen, an regenfreien Tagen, beginnen die Käfer zu fliegen und das hat vor allem einen Grund: Die Fortpflanzung. Jetzt ist es an den Männchen alles zu geben und den perfekten Brutbaum zu finden.

Beim Kupferstecher weiß man, dass olfaktorische Faktoren bei der Suche nach passenden Bäumen helfen. Fichten, die bereits Probleme haben, breiten bestimmte Duftstoffe aus, auf welche die Käfer abfahren. Anders formuliert, die Käfer riechen es, wenn es einer Fichte schlecht geht, wenn der Baum zu wenig Wasser bekommt oder sogar ganz von der Wasserversorgung abgeschnitten ist, weil er z.B. umgefallen ist.

Warum sind gerade diese geschädigten Bäume so wertvoll für die Borkenkäfer? Normalerweise würde sich der Baum sehr erfolgreich gegen jeden Eindringlich zur Wehr setzen. Sobald jemand am Stamm nagt wird das Verteidigungssystem des Baumes aktiviert, ähnlich dem Verteidigungssystem einer Burg: Wenn im Mittelalter Angreifer im Anmarsch waren, wurden über die so genannten „Pechnasen“ einer Burg heißes Pech, Öl oder Ätzkalk nach unten gegossen und die Burgen somit sehr erfolgreich verteidigt. Die Fichte hat zwar keine Pechnasen, aber sie verfügt über Harzkanäle. Eindringlinge jeder Art werden im Fichtenharz festgeklebt, oft ertränkt. Der Abwehrmechanismus der Fichte funktioniert nur solange der Baum gesund ist und ausreichend Wasser zur Verfügung hat. Andersherum bedeutet das: Kein Wasser – kein Harz – keine Verteidigung und wehrlose Bäume können die Käfer regelrecht erschnuppern.

Hat das Borkenkäfermännchen einen geeigneten Stamm entdeckt, so beginnt die eigentliche Arbeit: Das Männchen nagt sich einen Gang in die Borke hinein und legt dort eine Liebeskammer an, die so genannte „Rammelkammer“. Bevor es zur Sache geht sendet das Männchen seine Pheromone (Sexualduftstoffe) in alle Winde. Das „Eau de typographus“ ist für die Borkenkäfer-Damenwelt unwiderstehlich, sie kommen angeschwirrt. Tatsächlich kommen oft mehrere Weibchen in die Rammelkammer und lassen sich dort begatten. Jeder der Damen frisst sich dann einen eigenen Gang in die Rinde, ausgehend von der Liebeskammer.

In den Muttergängen werden kleine Nischen für die Eier angelegt. Sobald die Larven aus den Eiern schlüpfen, beginnen diese sich jeweils in einem eigenen Fraßgang unter der Rinde hindurch zu futtern. Gerade die Bastschicht zwischen Holz und Rinde ist für die Wasser- und Nährstoffversorgung des Baumes verantwortlich. Nach etwa sechs bis neun Wochen schlüpfen aus dem Stamm die ausgewachsenen, geschlechtsreifen Käfer. In diesem Moment startet der Käferzyklus mit Brautschau und Eiablage aufs Neue.

Fraßbild des Buchdruckers mit Rammelkammern, Muttergängen und Fraßgängen der Larven

In manchen warmen und trockenen Jahren schaffen es die Käfer, vier Generationen an Borkenkäfern anzulegen, die vierte Generation überwintert im Stamm unter der Rinde oder im Erdboden. Ein Brutsystem umfasst im Durchschnitt 40 Brutgänge. Unter den 40 geschlüpften Käfern befinden sich etwa 20 Männchen und etwa 20 Weibchen. Ein Käferweibchen kann pro Jahr bis zu 150 Eier legen.

Käfer-Mathematik mit Gruselfaktor

Ein gruseliges Rechenbeispiel:

Ein Weibchen legt in einem warmen Frühjahr, am 1. April 40 Eier. Daraus schlüpfen wiederum 20 Männchen und vor allem 20 Weibchen, die am 15. Mai ihrerseits je 40 Eier legen. Auch draus schlüpfen 20 Männchen und 20 Weibchen. Jetzt haben wir schon 881 Käfer, darunter 440 Weibchen. Am 1. Juli legt jedes der 440 Weibchen wiederum 40 Eier, dabei spielen die Käfer aus der ersten und zweite Generation jeweils ebenfalls mit. Jetzt wären wir bereits bei 17.640 Käfern aus der dritten Generation (Geschwisterbruten eingerechnet) plus 841 aus der zweiten Generation, in Summe also 18.521 Käfer, die Hälfte davon Weibchen. Diese starten am 15. August zur vierten Generation los und damit hätten wir über 370 Tausend Käfer.

In der Regel geht man davon aus, zumal nicht alle Käfer überleben, dass ein Weibchen in für den Käfer günstigen Jahren etwa 100.000 – 250.000 Nachkommen schafft, alle Geschwisterbruten mit eingerechnet. Das wird ein großes Familienfoto mit Ur-Ur-Oma Borkenkäfer.

Ein Familienfoto, das der Baum jedoch meist nicht überlebt. Die Käfer fressen sich systematisch durch die Bastschicht. Die Bastschicht ist für die Wasser- und Nährstoffversorgung des Baumes verantwortlich. Durch die Borkenkäfer wird der Stamm, durch die Summe aller Fraßgänge, einmal rundherum von der Wasser- und Nährstoffzufuhr abgeschnitten. Zusätzlich tragen die Käfer auf ihren Panzern Pilze in den Stamm hinein. Diese Pilze verstopfen die Wasserführenden Schichten des Xylems, der Baum verdurstet endgültig.

Käfer-Detektive gesucht

In der Regel gibt es verschiedene Indizien, anhand derer von außen erkennbar ist, ob ein Baum unter Käferbefall leidet:

  • Indiz Nr. 1: Der Boden ist von Fichtennadeln bedeckt (vor allem grüne Nadeln): Die Fichten lassen ihre Nadeln fallen, wenn sie auf Grund von Käferbefall am Verdursten sind. Etwas später zeigen rote Fichtenkronen im Bestand auf einen Befall hin.
  • Indiz Nr. 2: Am Fuß des Stammes, in Astbeugen oder in Spinnennetzen finden Sie braunes Bohrmehl: Wenn sich die Käfer in den Stamm bohren, ist es wie bei Maulwürfen: der Aushub muss irgendwo hin. Dank der Schwerkraft rieselt das Bohrmehl Stammabwärts und bleibt auf waagrechten Flächen gut sichtbar hängen.
  • Indiz Nr. 3: Der Stamm „weint“: Am Stamm hängen zahlreiche kleine Harztopfen: Der Stamm wehrt sich also noch aktiv gegen die Eindringlinge. Leider schaffen es in guten Käferjahren auch gesunde Fichten teilweise nicht mehr, sich gegen den Ansturm der Käfer zur Wehr zu setzen. Auf einen abgewehrten Käfer kommen zehn neue Angreifer, der Stamm muss kapitulieren.
  • Indiz Nr. 4: Der Stamm ist übersäht mit kleinen Löchern, den Einbohrlöchern der Käfer. Wenn Sie Glück haben, sind es nur die Einbohrlöcher und noch nicht die Ausbohrlöcher der jungen Käfer sechs Wochen später. In letzterem Fall breitet sich der Befall bereits im umliegenden Bestand und über Besitzgrenzen hinaus aus.
  • Indiz Nr. 5: Sie beobachten in Ihrem Wald verstärkt das Vorkommen des Ameisenbuntkäfers, von Schlupfwespen oder eifrigen Spechten. Das verstärkte Auftreten der natürlichen Feinde des Borkenkäfers kann ein Hinweis auf einen Befall sein. Dann ist es wichtig, die befallenen Bäume ausfindig zu machen.
  • Indiz Nr. 6: Sie haben eine Borkenkäferfalle aufgestellt und diese ist mit Käfern gefüllt. Man kann mit so genannten Pheromonfallen Borkenkäfer anlocken. Die Fallen enthalten die Duft-Lockstoffe der Borkenkäfermännchen. Aber Vorsicht, es gibt Bedenken, dass Pheromonfallen Käfer erst recht in den Bestand hineinlocken könnten. Gleichzeitig finden sich Stimmen, dass mit den Fallen ein Käferüberschuss im Falle eines Bestandes abgeschöpft werden kann. Auf alle Fälle geben die Fallen ein wichtiges Indiz, ob Käfer am Schwärmen sind.
Einbohrlöcher des Borkenkläfers an Fichte
Die roten Kronen von Käferbäumen sind von oben gut sichtbar

Falls in ihrem Wald (oder Garten) Fichten wachsen, sollten Sie in der Borkenkäferzeit zwischen April und September regelmäßig ihren Bestand kontrollieren (alle ein bis zwei Wochen).

Raus aus dem Wald!

Wie geht es weiter, falls ein oder mehrere Fichten befallen sind? Im Prinzip sind wir in den letzten Monate alle zu Seuchen- und Pandemie-Experten geworden: Hat sich jemand infiziert, geht er oder sie in Quarantäne, damit niemand anderes angesteckt wird. Damit eine befallene Fichte keine weiteren Fichten mit Borkenkäfer anstecken kann, muss auch diese „isoliert“ werden, indem man sie fällt. Die Bäume müssen dann schnellstens aus dem Bestand raus, denn dem Käfer ist es egal, ob der Baum steht oder liegt, Hauptsache die Bastschicht enthält noch etwas zum Futtern. Deshalb ist es auch wichtig, dass nach Sturmereignissen Fichten schnell aufgearbeitet werden und aus dem Wald abgefahren werden. Die gefallenen Fichten haben kaum mehr Harzabwehr, aber noch genug interessantes Futter für den Käfer. Spätestens die zweite hungrige, paarungswütige Generation an Käfern befällt anschließend auch umliegende stehenden Bäume.

Also Bäume schnell raus aus dem Wald: Die Empfehlungen lauten, die Fichten in einer Entfernung von mindestens 500 Metern Entfernung vom Wald zu lagern. In der Regel fliegen die Borkenkäfer nur wenige Hundert Meter weit. Ebenso besteht die Möglichkeit, die Stämme zu entrinden und die geschälten Stämme im Wald zu lagern. Die Rinde muss natürlich aus dem Wald entfernt werden, ebenso der Kronenbereich, denn hier fühlt sich der kleinere Kupferstecher wohl. Klingt alles nach viel Arbeit. Aber keine Sorge, es gibt zahlreiche Forstwirtschaftliche Zusammenschlüsse und Forstliche Unternehmer, die für Waldbesitzer ihren Service anbieten.

Wertvolle Stämme…

Sind die Stämme, noch etwas wert? Und kann man allgemein Fichtenstämme überhaupt noch im Wald lagern? Die Borkenkäfer schädigen die Bastschicht, nicht das Holz. Das Holz verliert in seinen Eigenschaften nicht an Wert. Jetzt kommt das große ABER: Wenn in einem Jahr sehr viele Bäume gefällt werden müssen, die normal noch ein paar Jahre im Bestand verblieben wären, und sehr viele Stämme gleichzeitig den Markt überfluten, dann kommt es zu einem Überangebot an Holz. Teilweise wird versucht, die Stämme zu lagern, wenn durchführbar in Nasslagern. Dies ist alleine auf Grund des höheren Platzbedarfs nur begrenzt möglich. In der Folge kommt sinkt der Preis. Im letzten Jahr (2020) konnten Waldbesitzer*innen für Ihre Fichten teilweise weniger Geld erzielen, als Sie in Pflanzung, Pflege und Ernte hineingesteckt hatten.

Zur Frage Fichtenstämme im Wald lagern: Prinzipiell eher nein. Frisch geschlagenes Holz, auch Brennholz sollte zu Beginn der Käferzeit aus dem Wald gebracht werden.

Käfer „austricksen“

Ein spannendes Projekt in diesem Zusammenhang läuft an der Technischen Universität Dresden, warum den Borkenkäfer nicht einfach mal „austricksen“. Die Idee ist simpel: Die Forscher haben auf Rohholz im Nadelwald Duftstoffe von Borkenkäfern aus Laubwäldern, ausgebracht und umgekehrt auf Laubholz Duftstoffe von Nadelholzborkenkäfern. Laubholz- und Nadelholzborkenkäfer haben gemeinsame Fressfeinde, die durch den Geruch der Borkenkäfer angelockt werden. Der Duft der Laubholzborkenkäfer lockt somit die Ameisenbuntkäfer zum präparierten Holzstapel, nicht jedoch die Nadelholzborkenkäfer. Die Nadelholzstämme werden somit von einer Armee an Fressfeinden geschützt.

Borkenkäfer-Pandemien sind übrigens vor allem ein Problem von Gegenden in den die Fichten in großen Reinbeständen wachsen. Nur in wenigen Regionen Deutschlands kommen Fichten in natürlichen Reinbeständen vor. Dennoch wurde sie in der Vergangenheit flächendeckend gepflanzt und kultiviert. Heute hat die Fichte wie kaum eine Baumart mit den Folgen des Klimawandels zu kämpfen. Die Sommer werden wärmer und trockener und machen dem Flachwurzler Fichte stark zu schaffen. Seit mehreren Jahren laufen deshalb aktive Anstrengungen, die gesamte Forstwirtschaft auf Mischbestände umzustellen. Hinsichtlich des Borkenkäfers liegen verschiedene Untersuchungen vor, die eindrucksvoll zeigen, wie sich die Käfer in Mischbeständen viel schwerer tun, Fichten ausfindig zu machen. Zudem sind Mischbestände in der Regel viel gesünder, vielfältiger und stabiler gegen Trockenheit, Stürme, Hitze und Co.

Waldumbau

Eines muss man den Borkenkäfer vielleicht dann doch zu Gute halten: Wie kaum ein anderes Lebewesen zeigt er die Folgen einseitiger Planung der Vergangenheit auf. Oft sind die Folgen einseitiger Planungen nur schleichend und erst  nach Jahrzehnten zu sehen: Verkümmerte Mykorrhiza Gesellschaften an den Wurzeln von Fichten aus Monokulturen, fallen lange – lange – nicht auf, es sei denn man schaut sehr genau hin. Fehlende Diversität in der Vegetation oder unter den Bewohnern des Waldes fallen kaum auf. Wenn es einem kleinen Käfer, zugegebenermaßen in großer Anzahl, gelingt nicht nur Quadratmeter, sondern ganze Quadratkilometer zu Fall zu bringen, dann wird uns vor Augen geführt, dass in der Natur Reinbestände nur selten vorgesehen sind.

Bestand nach Käferbefall

Außerdem wird uns vor Augen geführt, dass nicht jede Baumart auf jedem Standort gut wachsen kann, gut geeignet ist. Wenn die Borkenkäfer etwas Gutes haben, dann ist es, dass sie zum nachhaltigen Vorausplanen zwingen. Dabei handelt es um einen notwenigen Lernprozess verbunden mit einem großen Spagat, vor dem die Forstleute stehen: Gleichzeitig handelt es sich beim Wald um einen Naturraum mit natürlichen Abläufen und gleichzeitig handelt es sich beim Wald um einen Menschenraum, der uns unter anderem mit Rohstoffen versorgt. Mit dem Rohstoff Holz, der heute angesichts steigender Holzbauquoten gefragte ist denn je. Angesichts der hervorragenden Klimabilanz von Holz ist das auch gut so und sicherlich ein klarer Fortschritt.

Zudem muss man bedenken, woher ein großer Teil der Reinbestände kommt: Besonders nach dem zweiten Weltkrieg mussten große Teile der deutschen Wälder neu aufgeforstet werden. Reparationszahlungen und die Not der Leute, ihre Häuser wieder aufzubauen oder mit Brennholz durch den kalten Winter 1946/1947 zu kommen, sind eine Ursache für große Flächen mit reinem Fichten Anbau (gleiches gilt für viele großräumigen Kiefern Bestände). Fichten Saat- und Pflanzgut waren billig verfügbar und die Aussicht auf eine kurze Umtriebszeit (also auf Bäume, die man im besten Fall bereits nach 80 bis 100 Jahren wieder ernten konnte) verlockte zum großflächigen Fichtenanbau. Was wir heute im Wald umsetzen, das hat Auswirkungen auf die Wälder unserer Urenkel und Ur-Urenkel und genauso haben die Waldbesitzenden von heute damit zu kämpfen, was und wie ihre Großeltern und Urgroßeltern vor Jahrzenten gepflanzt haben.

Grenzenlose Solidarität

Für viele ist der Borkenkäfer das Wald-Monster unserer Zeit. Wenn man an den finanziellen Schaden vieler Waldbesitzer-Familien denkt, ist das nur allzu gut verständlich. Der Borkenkäfer macht vor den Besitzgrenzen im Wald nicht Halt. Deshalb ist es so wichtig, dass alle die Wald haben bei diesem Thema an einem Strang ziehen. Es gilt das Prinzip der Solidarität: Auch wenn ein Waldbesitzer*in seinen Wald vielleicht nur als Hobby sieht, sein Waldnachbar*in lebt vielleicht tatsächlich von den Einnahmen aus dem Wald.

Natürlich ist es so, dass der Wald zurückkommt, auch wenn ganze Hektar vom Borkenkäfer gefressen wurden. Eindrucksvoll kann man das im Nationalpark Bayerischer Wald am Lusen beobachten. Dort, wo in den 80er, 90er und 2000er Jahren Fichten durch den Käfer vernichtet wurden, wächst heute junger neuer Wald, ein wenig anders als noch vor 40-50 Jahren, aber es ist ein sehenswerter Wald. Und jetzt wieder das große ABER: Aber unsere Wälder sind in der Regel keine Nationalparks, sondern in den meisten Wäldern müssen die Ansprüche von Mensch und Natur in Einklang gebracht werden. Deshalb bringt der Ausblick auf die Zukunft für alle die Wald haben einige Aufgaben: Kurz- und mittelfristig der Kampf gegen den Borkenkäfer und mittel- bis langfristig der Aufbau neuer, gemischter Wälder.

Quellen