Die Lärche

Die Lärche

Beitrag als Podcast


Eigentlich ist es bei unseren heimischen Bäumen recht einfach: Es gibt Laubbäume und Nadelbäume. Laubbäume werfen im Herbst ihre Blätter ab und bilden im Frühjahr neue Blätter. Nadelbäume hingegen schützen ihre „Blätter“ so gut vor Frost und Austrocknung, dass sie die Nadeln einfach den Winter über behalten. Die Nadeln haben sozusagen eine „dicke Haut“, eine dickere Epidermis,  gegen Frost und winterliche Austrocknung. Eine Wachsschicht als Wind- und Wetterbalsam helfen zusätzlich.

Wenn Sie durch einen Winterwald spazieren, erkennen Sie die Nadelbäume auf den ersten Blick, denn sie leuchten dunkelgrün durch den ansonsten kahlen Wald. Aber sehen Sie wirklich alle Nadelbäume? Wenn ich so frage, heißt die Antwort „Natürlich nicht!“ Eine Nadelbaumart bildet die Ausnahme und schließt sich im Winter den Laubbäumen an und wirft vorsorglich alle Nadeln ab: Die Lärche.

Der „Laubbaum“ unter den Koniferen?

Bleiben wir bei der Frage, warum die Lärche als große Ausnahme ihre Nadeln abwirft. Dazu müssen wir einen kurzen Blick auf die Anatomie von Laub- und Nadelblättern werfen. Genau wie Menschen oder Tiere müssen auch Bäume atmen. Dazu befinden sich in der Regel an der Blattunterseite so genannte Spaltöffnungen, man könnte sie als winzige Münder bezeichnen. Tatsächlich können diese „Münder“ auf und zu gemacht werden, spezielle Schließzellen sorgen dafür, dass sich die Stomata kontrolliert öffnen und schließen, wie es das Blatt gerade braucht. Über die Spaltöffnungen gibt das Blatt – den im Rahmen der Photosynthese erzeugen – Sauerstoff ab und atmet Kohlenstoffdioxid ein. Eigentlich genau umgekehrt wie bei Menschen oder Tieren. Neben gasförmigen Stoffen wird auch Wasser abgegeben.

Im Winter erscheinen die Berghänge des gegenüberliegenden Lärchen-Bergwaldes fast kahl

Im Winter ist für die Bäume eine Zeit des Mangels: Die Temperaturen sind oft zu kalt, Energie über um Photosynthese zu gewinnen. Unter null Grad Celsius findet selbst bei immergrünen Nadelbäumen kaum Photosynthese statt. Auch die geringe Sonneneinstrahlung im Winter macht das Aushalten von Blättern oft wirtschaftlich sinnlos für den Baum. Einer der wichtigsten Punkte ist jedoch die Wasserversorgung. Gefrorene Böden erschweren den Bäumen eine ausreichende Wasserversorgung. Gleichzeitig verlieren die Blätter stetig Wasser über Verdunstung über die Zellwände und die Spaltöffnungen. Die Nadelbäume haben gegen den Wasserverlust dickere Außenwände gebildet, die zusätzlich mit Wachs versiegelt werden. Auch die Spaltöffnungen sitzen bei Nadelbäumen in dieser Wachsschutzschicht, mit Ausnahme bei der Lärche. Die weicheren Nadeln der Lärchen verfügen nicht über eine solche Verdunstungsbarriere. Also macht es die Lärche wie die Laubbäume: Im Herbst wird das wertvolle Chlorophyll abgebaut, also der Stoff der für die Photosynthese verantwortlich ist, ins Winterlager in den Wurzeln, Ästen und im Stamm gebracht. Zurück bleiben in den Lärchennadeln die dann farbgebenden Stoffe α- und β-Carotine (geringe Mengen) und Xanthophylle. Kurz und knapp und überaus ansprechend: Die Nadeln färben sich knallgelb. Im Herbst beispielsweise in den Alpen ein wunderschönes Schauspiel, wenn sich die Berghänge voller Lärchen leuchtendgelb färben und wie Fackel vor dem blauen Himmel abgrenzen. Dieses Spektakel sieht nicht nur toll aus, es ist der Garant dafür, dass die Lärche sogar die extremen Minus Temperaturen der Hochlagen bis knapp 2.000 Meter ü. NN (stellenweise sogar 2.400 Meter ü. NN) unbeschadet übersteht, besonders wohl fühlt sich sie auf einer Höhe zwischen 1.400 und 1.500 Metern. In den hohen Lagen findet man die Lärchen übrigens oft in Gesellschaft Pinus Cembra, der Zirbelkiefer.   

Leuchtend gelbe Herbstfärbung der Lärche

Einmal um die nördliche Halbkugel

Die Lärche macht laut Bundeswaldinventur etwa 3% der Waldfläche in Deutschland aus. Ursprünglich hat sich die Lärche von Sibirien aus ihr Areal erschlossen. Dabei wuchsen bereits vor 60 Millionen Jahren Lärchen auf der Erde. Vor 60 Millionen Jahren konnte man zwischen Europa und Nordamerika noch bequem zu Fuß hin und her gehen, der Atlantik existierte noch nicht. Vor 60 Millionen Jahren waren die Dinosaurier gerade wenige Millionen Jahre ausgestorben, stattdessen wurde die Tierwelt des Paläozäns immer stärker von Säugetieren geprägt. In der Pflanzenwelt breiteten sich Blühpflanzen immer stärker aus. Die ganze Erde wandelte sich, die Erdneuzeit brach an und mittendrin die Lärche.

Heute findet man Vertreter der Lärchen, Gattung Larix, verbreitet in den gemäßigten Klimazonen der Nordhalbkugel, also etwa zwischen dem nördlichen Wendekreis (23° 26′ 04″ nördlicher Breite) und dem nördlichen Polarkreis (66° 33′ 55″ nördlicher Breite). So finden Sie in Russland und der Monolei etwa die Sibirische Lärche (Larix sibirica), in Asien die Japanische Lärche (Larix kaempferi), in Amerika die Ostamerikanische Lärche (Larix laricina) und auf der anderen Seite Amerikas – dreimal dürfen Sie raten – die Westamerikanische Lärche (Larix occidentalis). Bei uns in Europa fühlt sich Larix decidua wohl, die Europäische Lärche, um nur einige der weltweiten Vertreter zu nennen.

Von Zapfen und Nadeln

Kommen wir zurück zum Aussehen der Lärche. Wir wissen bereits, dass die Lärche im Herbst gelb wird und im Winter ohne Nadeln kahl der Kälte trotzt. Aber was ist mit Frühling und Sommer? Im Frühjahr treiben die zart grünen Nadeln in Büscheln zu je 20 bis 40 Nadeln aus. Wenn Sie sich einen dünnen Lärchenzweig (Langtriebe) ansehen, dann fallen Ihnen dort vielleicht in regelmäßigen Ausbuchtungen, fast wie Warzen, auf die Kurztriebe der Lärche. Hier kommen neben den Nadelbüscheln auch die hübschen Zapfen der Lärchen zum Vorschein.

Büscheliger Nadelaustrieb im Frühjahr

Die Lärche hält es hierbei als Luftikus: einhäusig sitzen männliche (eiförmige)  und weibliche (zapfenförmige) Blüten auf einem Baum und warten darauf, dass der Wind seine Arbeit verrichtet und die Pollen an die Frau bringt. Die weiblichen Zapfen präsentieren sich in dieser Zeit in leuchtendem Purpurrot. Später im Herbst, im Oktober sind die leichten Samen reif und fallen aus den Zapfen. Doppelt gemoppelt hält besser: Ein Samen verfügt dabei über sogar zwei Samenanlagen und wieder verlässt sich die Lärche übrigens für die Verbreitung auf den Wind.

Rekorde

Und hiermit wird es Zeit für das Lärchen-Guinness-Buch der Rekorde:

Rekord Nr. 1: Im Jahr 2014 wurde in Hessen im so genannten „Schlitzer Wald“ eine Lärche auf 53,80 Meter gemessen. Der Umfang dieses etwa 190 Jahre alten Riesen ist 2,52m, was auf einen Durchmesser von etwa 80cm schließen lässt

Rekord Nr. 2: Es geht auch noch dicker, denn die vermutlich dickste Lärche Deutschlands ist die „Hildegard-Lärche“ in Überlingen-Bonndorf am Bodensee. Sie wurde im Jahr 2013 auf 1,30 Höhe mit einem Umfang von 4,89m gemessen. Man geht davon aus, dass dieser Baum etwa um das Jahr 1730 gepflanzt wurde. Im Wallis, Schweiz wächst eine Lärche, deren Stammumfang in 1,30 m Höhe auf 11,20m gemessen wurde (Jahr 2012). Sie ist vermutlich die dickste Lärche Europas.

Rekord Nr. 3: In Italien, Südtirol finden sich drei Uralte Lärchenbäume, die Ultner Urlärchen. Ihr Alter wurde auf etwa 850 – 900 Jahre bestimmt. Damit stammen Sie aus einer Zeit, in der Kreuzzüge die Weltgeschichte prägten, die Stadt München erstmals urkundlich erwähnt wurde und Friedrich Barbarossa als Kaiser dem deutsch-römischen Reich vorsteht.

Perfekt für Draußen

Zwar kein Rekord, aber bemerkenswert gut und dauerhaft ist das Holz der Lärche. Die Lärche ist ein Kernholzbaum mit einem wunderschönen rotbraunen Holz im Kern und einem gelblich rötlichem Splintholz. Lärchenholz ist –abgesehen von der Eibe – das dichteste heimische Nadelholz mit einer Rohdichten von 0,6g/cm³. Zum Vergleich: Damit kommt es zwar nicht an Eiche (0,87g/cm³) oder Bucher (0,78g/cm³) heran, aber dafür ist die Lärche extrem witterungsbeständig. Das Holz der Lärche weist eine hohe Zähigkeit auf, ist elastisch und fest und damit ein sehr gutes Bau- und Konstruktionsholz. Besonders gerne wird dieses Holz auf Grund seiner Eigenschaften im Freien eingesetzt und das, ohne es vorher chemisch zu behandeln. Nach ein paar Monaten im Freien bildet sich dabei eine Art Patina und unbehandeltes Lärchenholz erhält eine elegante silbergraue Färbung.  Holz-Fassaden, Balkone, Terrassendielen, Außenkonstruktionen wie Carports oder Pergola, Zäune, Dach- und Deckenkonstruktionen im Hausbau, Möbelstücke etc. – Lärchenholz ist innen wie außen vielseitig einsetzbar. Auch für den Brückenbau eignet sich das Lärchenholz bestens, zumal es mit seiner Haltbarkeit unter Wasser mit Eichenholz vergleichbar ist.

Das rötliche Lärchenholz eignet sich ideal für den Einsatz im Außenbereich

Diese Widerstandsfähigkeit gegen Wasser und Feuchtigkeit, Pilze und andere äußere Einflüsse ist auch der Grund, warum früher Schindeldächer weit verbreitet waren. Besonders im Süden Deutschlands schützte man bereits im Mittelalter die Dächer und teilweise auch Wände der Häuser gegen Wind, Regen und Schnee mit den sich überlappenden Holzschindeln aus Lärche. Der Schindelmacher war ein alter Beruf, eine eigene Kunstfertigkeit. Besonders gefragt für die Holzdächer waren alte Lärchen aus höheren Lagen mit entsprechend engen Jahrringen sowie wenig Ästen und ohne Drehwuchs. Die Bäume wurden in den Herbst-/Wintermonaten eingeschlagen, zum Trocknen abgelagert und dann in 30 – 45 cm lange Blöcke (Rundlinge) gesägt. Von da an kommt die Säge nicht mehr zum Einsatz, denn Schindeln werden abgespalten, dazu brauchte es ein Schindeleisen und einen Schlägel. Durch das Abspalten bleiben die Längsfasern in Takt, Wasser läuft ab und kann nicht in das Holz eindringen. Anschließend werden die Schindeln mit dem Reifmesser nachbearbeitet und am Ende abgeschrägt, damit Schmutz und Wasser besser abfließen können. Heutzutage übernehmen natürlich hydraulische Spalter die Herstellung der Schindeln. Mit Schindeln gedeckte Dächer halten Jahrzehnte und stehen damit in ihrer Haltbarkeit Ziegeldächern kaum nach. Heute erleben Holzschindeln eine Renaissance, immer öfter bekommt man besonders im Altenraum die mit Schindeln benagelten Dächer zu Gesicht, mancherorts ist es sogar verpflichtend, Almhütten mit Schindeln einzudecken. Dabei wirken Holzschindeln Temperatur regulierend, im Sommer halten Sie Gebäude kühler, im Winter wärmer. Von Vorteil ist sicherlich auch der Aspekt, dass es sich hierbei um ein regionales und nachwachsendes Produkt handelt mit allen Vorteilen des Bauens mit Holz.   

Schindeldach auf Berghütte

Sechsbeinige Widersacher

Wer mit Lärchenholz arbeitet muss allerding wissen, dass es stärker als andere Nadelhölzer harzt. Für den Handwerker eine klebrige Angelegenheit, für den Baum ein guter Schutz gegen Schädlinge. Das Harz verteidigt, wie das mittelalterliche Teer des Burgtors, den Lärchenstamm gegen Eindringlinge. Dennoch gelingt es dem Lärchenborkenkäfer (Ips cembrae) oder dem Lärchenbock (Tetropium gabrieli) ins Splintholz vorzudringen und die Nährstoff- und Wasserführenden Schichten des Kambiums abzufressen. In der Regel schaffen die beiden Schädlinge dies jedoch erst, wenn der Baum durch Dürre vorgeschädigt wurde. Auch die Nadeln sind für machen Sechsbeiner wahre Leckerbissen. Lärchennadelknicklaus (Adelges geniculatus), Lärchennadelmotte (Coleophora laricella) oder beispielsweise der Grauer Lärchenwickler (Zeiraphera diniana) vergnügen sich gefräßig an den grünen Teilen der Lärche, um nur einige der Nadelschädlinge aufzuführen.

Heilsame Lärche

Auch für uns Menschen sind die Nadeln der Lärche durchaus attraktiv: Sie leiden unter Rheuma, Nervenschmerzen, Schnupfen oder Furunkel? Dann ist die Lärche Ihr Baum. Gegen all diese Beschwerden soll die Lärche helfen. Ätherische Öle aus den Nadeln der Lärche sind scheinbar in der Lage, verschiedene Neurotransmitter so zu blockieren, dass Schmerzreize nicht mehr an unser Hirn gesendet werden können: Keine Information über Schmerz – kein Schmerzempfinden. Außerdem machen wir uns die antibakterielle und schleimlösende Wirkung der Lärche zu Nutze. Dazu können Sie mit einem Wasserbad inhalieren, das Sie zuvor mit wenigen Tropfen Lärchenöl versetzt haben. Das Öl wird mittels Wasserdampfdestillation aus den Zweigen und Ästen entzogen. Dabei benötigen Sie für einen Liter Öl 700 Kilogramm Lärche. Außerdem soll die Lärche über eine stimmungsaufhellende Wirkung verfügen, die besonders in stressigen Zeiten unterstützend wirken kann. Als Lärchenterpentin wird das Harz der Lärche vermarktet. Es wird aus dem Stamm der Lärchen abgezapft. Dem Lärchenterpentin wird eine wundheilende, desinfizierende und ebenfalls schmerzlindernde Wirkung zugesprochen.

Die entzündungshemmende Wirkung der Lärche führte im Jahr 2009 sogar zu einem besonderen Patent. Veterinärmediziner der Karl-Franzens-Universität Graz erforschte die Wirkung von Lärchenholz-Mehl als Beimischung in Futtermitteln. Dabei kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass Rinder, Schweine, Geflügel, Pferden, Hunde oder Katzen von dieser Holzmehlbeimischung profitieren. Die im Lärchenholz enthaltenen Diterpene können entzündliche Erkrankungen bei Tieren verhindern und bekämpfen. Schädliche Nebenwirkungen wurden bei den Tieren nach der Beimischung von 0,5 bis 10% Lärchensägemehl übrigens nicht beobachtet

Zuletzt möchte ich Ihnen auch die Verwertung der Lärchenzapfen nicht vorenthalten. Sammeln Sie die jungen, noch roten und weichen Zapfen der Lärche. Mischen Sie etwa 20 bis 25 Zapfen mit 150g Rohrohrzucker und ein wenig Zitronenzeste. Das Glas mit dieser Mischung füllen Sie mit einem Liter hochprozentigem Korn oder Wodka auf (oder halbe halbe). Lassen Sie die Mischung auf dem Fensterbrett ziehen. Jede Woche sollten Sie die Mischung einmal umrühren. In den nächsten zwei Monaten reift auf ihrer Fensterbank Sie ein hochgeistiges Hausmittel gegen Übelkeit, Kreislaufbeschwerden und Verdauungsprobleme.

Egal, wie Sie die Lärche nutzen wollen, es handelt sich hierbei um einen ganz besonderen Baum. Doch das gelbe Herbstleuchten dieses exzentrischen Nadelbaums könnte im Rahmen steigender Temperaturen bald weniger werden, vor allem im Flachland. Die Lärchen gehören zu den Verlierern des Klimawandels. Je wärmer und trockener es bei uns wird, desto schwerer hat es die Lärche, desto schlechter wächst sie. Umso mehr dürfen Sie sich freuen, wenn Sie die Lärche in ihren Erscheinungsformen sehen:

Im Frühjahr hellgrün, zart

Im Sommer forscher Art

Im Herbst mit goldnem Schal

Im Winter braun und kahl.

Und damit geht diese „Lärchen-Folge“ des Waldseiten Podcast zu Ende. Wie immer finden Sie den Beitrag auch als Artikel zum Nachlesen unter www.waldseiten.de, natürlich auch mit Fotos. Aber viel besser als jedes Foto ist natürlich die Lärche im Wald selbst – oder Sie halten draußen in ihrem Ort mal die Augen offen, da werden sie auch relativ oft irgendwo Lärchenholz zu Gesicht bekommen. Also halten Sie die Augen offen und machen Sie es gut bis zur nächsten Waldseiten Folge im März/April.  

Quellen